Platte des Monats
(Sandy) Alex G - Rocket [Domino Records]
Eine durchzechte Nacht, die vom schlaflos machenden Fiebertraum pausenlos in einen träumerischen Rauschzustand übergeht: So klingen nur zwei der zahlreichen Facetten von Alex Giannascoli alias (Sandy) Alex G. Der Singer/Songwriter nutzt auf seinem Album „Rocket“ die verschiedensten Genreeinflüsse und schießt uns so bedingungslos in sein eigenes musikalisches Universum. Durchatmen und Eintauchen.
Alex G hat als Kind der DIY-Szene auf seinem nun zweiten Studioalbum „Rocket“, das er bei Domino veröffentlicht hat, seinen Mut und den Willen zur Grenzüberschreitung glücklicherweise beibehalten. Auf „Rocket“ besteigt er ungeahnte musikalische Felder, bricht mit Mustern und steuert letztlich auf totgeahnte Stile, wie Blues, Country oder Jazz zu, um ihnen in seinem Kosmos neues Leben einzuhauchen. Schicht, über Schicht, über Schicht – Dissonanz auf Harmonie. Egal wie fragmentarisch und unzusammenhängend die verschiedenen Titel wirken, Alex G hält das alles mit seinen verträumt gesäuselten Geschichten zusammen.
Das Spiel mit den Lautstärken und Emotionen
Auf „Rocket“ wechseln sich die ruhigen, nachdenklichen und harmonischen Tracks in unregelmäßiger Weise mit den lauten, harten und vielschichtigen Tracks ab. Eine erkennbare Dramaturgie existiert nicht, was aber keineswegs als Störfaktor zu empfinden ist. Vielleicht tut auch gerade das gut: Jeder Titel auf „Rocket“ ist unvorhersehbar und überraschend, ein Wechselspiel der Höhen und Tiefen. Statt den Zusammenhang der einzelnen Songs und das Konzept hinter dem Album zu hinterfragen, fällt es hier leicht, das Gehörte einfach hinzunehmen und sich fallen zu lassen – komme, was wolle.
„The reason you enjoy music is because of its unlimited potential, the inability to really understand it.“ - (Sandy) Alex G
Genau ein solches Potenzial bietet auch "Rocket". Mit seiner müden, leicht passiven Art säuselt Alex G seine Geschichten. Einmal die Märchen, die einen langsam in den Tiefschlaf transportieren. Weiter dann die nachdenklichen, teils bedrohlichen und schicksalhaften Geschichten, wie zum Beispiel in "Powerful Man", in dem der Charakter sich in eine Traumwelt flüchtet, um seinem Alltag zu entkommen.
Zum größten Teil belebt Alex G mit seiner Platte Genres, wie Blues, Jazz, Folk oder auch Country wieder. Songs wie „Proud“ oder „County“ funktionieren durch das verträumte und gleichzeitig harmonische Zusammenspiel verschiedener Saiteninstrumente. Das ist vielleicht auch seiner Freundin, der Violinistin Molly Germer, geschuldet. Mit ihrem Geigenspiel erscheint sie auf vielen Tracks als eine Konstante, die Alex G liebevoll abholt und mitnimmt. Alex G selbst schafft hier eine Atmosphäre, die genauso vorausschauend wie rückbesinnt klingt. Manchmal sind es dünne Synthieflächen, die sich um die musikalischen Wurzeln legen wie ein Schutzschild. Manchmal reicht aber auch Alex Gs Stimme, die die traditionellen Elemente ins Heute befördert. Mit diesen Tracks schafft er eine Basis, die den Weg für die Ausreißer der Platte ebnet.
Ein Abstecher Richtung All
Im Mittelteil von „Rocket“ scheint Alex G auf dem Höhepunkt seiner musikalischen Erkundungstour: In „Horse“ beginnt er mehrere musikalische Klangspuren übereinander zu legen und so das Geräusch eines animalischen Durcheinanders zu erzeugen. Der pulsierende, rhythmische Song geht direkt in den Track „Brick“ über. Ein anfängliches Geigenquietschen geht über in aggressiven Hardcore, der an Bands wie Show Me The Body erinnert. Einen Track weiter ist man dann auf „Sportstar“ plötzlich auf einem ganz neuen Planeten angekommen. Mit autotune-gefärbter Stimme streckt Alex G seine Fühler, ähnlich wie die Hamburger von Der Ringer, in eine fast unberührte futuristische Richtung aus.
„Now I know everything“ - (Sandy) Alex G, „Poison Root“
Alex G hat auf „Rocket“ sein musikalisches Talent unter Beweis gestellt. Indem er seinen typischen Folk-Rock mit den unterschiedlichsten Musikstilen verbindet, wirkt er allwissend und doch auf der Suche. Genau diese Gegensätze und die ewige Suche nach der Harmonie in dem scheinbar Unvereinbaren haben etwas ganz Großes geschaffen. Mal rastend, mal hetzend, mal fiebrig, mal schlafend. Alex G kennt auf „Rocket“ keine Grenzen. Also folgen und an Bord gehen, es gibt noch viel zu entdecken.
"Rocket" von (Sandy) Alex G ist am 19.05.17 bei Domino Records erschienen.